mercator matinéen 2012

MM12verkürzt „Es ist eine neue Zeit. Die alte Zeit ist vorbei. Die Menschheit erwartet etwas. Es ist eine große Lust aufgekommen, die Ursache aller Dinge zu erforschen. Jeden Tag wird etwas gefunden. Die alten Lehren, die tausend Jahre geglaubt wurden, sollen nicht mehr gelten.“ (Bertold Brecht. Das Leben des Galilei)

Eine neue Zeit

 

Das Zitat aus Bertold Brechts Theaterstück „Das Leben des Galilei“ steht als Motto über unserer neuen Veranstaltungsreihe der Mercator – Matinéen. Es beschreibt ein Jahrhundert, das ein neues Bild der Welt und ein neues Bild des Menschen prägte, die Wissenschaft von ihren religiösen Fesseln befreite und für unsere Gegenwart von immenser Bedeutung ist. Im 16. Jahrhundert geriet das von der Kirche gepredigte Weltbild, in dem die Erde als die Mitte des Universums galt, durch die Theorien von Nicolaus Copernicus, Johannes Kepler und Galileo Galilei ins Wanken. Brecht lässt Galileo in seinem Theaterstück den Widerspruch von wissenschaftlicher Forschung und theologischer Deutungshoheit mit einem bissigen Aperçu auf den Punkt bringen: „Die Winkelsumme im Dreieck kann nicht nach den Bedürfnissen der Kirche abgeändert werden.“ Wie zuvor Thomas von Aquin den Aristotelischen Materialismus mit der scholastischen Schöpfungslehre in Einklang zu bringen versuchte, ist auch Gerhard Mercator durchaus noch bemüht, die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse mit der Bibel zu versöhnen. Seine im Prinzip konservative religiöse Haltung wird dabei aber bereits durch seine eigenen Forschungs ergebnisse – so z.B. die Erkenntnis, dass der Magnetpol eine irdische, keine himmlische Angelegenheit ist – relativiert. Auch Mercator ist nicht davor gefeit, der „Lutherey“ bezichtigt zu werden – er wird für kurze Zeit eingekerkert. Dennoch, der unaufhaltsam fortschreitende Prozess der Neu orientierung schuf das geistige Klima einer neuen Epoche, der Renaissance, die sich vom Mittelalter und der Scholastik abwandte und als Leitbild die antike Bildung und das lebensbejahende, schöpferische Individuum in den Vordergrund stellte. In einer lockeren – hoffentlich lehrreichen und unterhaltsamen – Folge von Vorträgen, Lesungen und Konzerten möchten wir einige Aspekte dieses spannenden Jahrhunderts beleuchten, in dem der größte Bürger unserer Stadt sein bedeutendes Werk schuf, das bis heute nicht an Aktualität verloren hat.

Wilfried Schaus-Sahm (Idee, Konzept, Programm)

Matineeprogramm 2012_15.2